Die Konsequenzen des Stillstands
Im Dezember wurde das Regime von Baschar al-Assad gestürzt. Ein großer Hoffnungsschimmer für viele geflüchtete Syrer*innen, doch die Lage vor Ort bleibt weiter unklar. Trotz dieser Unsicherheit griffen populistische Kräfte unmittelbar den Schutzstatus tausender Menschen an. Die Entscheidung der Regierung, sämtliche Anträge von Syrer*innen vorerst zu stoppen, hat bereits spürbare Konsequenzen für unsere Klient*innen.
Ein kurzer Schritt
Vom Sturz des Assad-Regimes zu populistischen Ankündigungen über sofortige Aberkennungen von diversen Schutz-Status war es ein schockierend kurzer Schritt. Nach knapp 24 Stunden gab es aus der Innenpolitik entsprechende Statements, die international schockierten – oder direkt Nachahmer fanden. Ein bürokratischer Hochgeschwindigkeitszug setzt sich in Gang: Die Community bekam noch im Dezember Briefe zu Rückkehrberatungen und Erstgesprächen zur Einleitung von Aberkennungsverfahren. Aber Tatsache ist: Derzeit liegen Entscheidungen auf Eis, die Situation muss richtigerweise neu evaluiert werden. Doch auch der Stillstand hat Konsequenzen!
Stillstand statt Schutz: Anträge eingefroren
Über Anträge auf Asyl und Familienzusammenführungen sowie Folgeanträge für subsidiär Schutzberechtigte wird aktuell nicht entschieden. Bis die Situation in Syrien abschließend beurteilt werden kann, geht für die betroffenen Menschen nichts weiter. Das bedeutet für unsere Klient*innen nicht nur Unsicherheit, sondern auch das Gefühl, erneut im Unklaren über ihre Zukunft zu sein. Die Betreuung unserer syrischen Klient*innen lief bisher sehr geradlinig ab. Sie haben in absehbaren Zeiten einen Status erhalten, konnten eine Wohnung und einen Job finden und sich recht zügig ein neues Leben in Wien aufbauen. Diese Menschen werden nun ausgebremst und auf längere Zeit auf unsere Unterstützung angewiesen sein.
Gefährdung der finanziellen Existenz
Ein besonders alarmierender Aspekt ist, dass die Auszahlung der Mindestsicherung an den Status des subsidiären Schutzes gekoppelt ist – ein Status, der in den letzten Jahren an Syrer*innen vorrangig vergeben wurde. Da dieser Status nun ebenfalls infrage steht und Verlängerungsanträge, die nach einem bzw. zwei Jahren gestellt werden müssen, nicht bearbeitet werden, erhalten viele Betroffene keine Mindestsicherung mehr und nur noch die sehr geringe Grundversorgung – was die Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung massiv erhöht. Für uns im Verein bedeutet dies, dass wir uns stärker denn je für die Absicherung unserer Klient*innen einsetzen müssen. Die finanzielle und emotionale Belastung für die Betroffenen ist enorm.
Schwierige Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt
Unser Team versucht deswegen verstärkt, Klient*innen schnell auf den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Doch hier zeigt sich ein weiteres Problem: Syrer*innen mit subsidiärem Schutz sehen sich plötzlich mit der Skepsis (potenzieller) Arbeitgeber*innen konfrontiert. Die Unsicherheit über die Verlängerung des Schutzstatus und die damit verbundene Arbeitsgenehmigung sorgt dafür, dass Syrer*innen nicht eingestellt werden – oder sogar Sorgen um ihr bestehendes Arbeitsverhältnis haben müssen. Dabei ist die Teilhabe am Arbeitsmarkt entscheidend, um finanzielle Eigenständigkeit und soziale Integration zu sichern. Stattdessen müssen wir zusehen, wie wertvolle Integrationschancen verloren gehen.
Keine Prüfungen, keine Familienzusammenführung
Auch der Zugang zu wichtigen Integrationsmaßnahmen wie den ÖIF-Prüfungen bleibt versperrt, wenn der Aufenthaltsstatus und damit die Anspruchsberechtigung unklar ist. Gleichzeitig sorgen wir uns um die Auswirkungen der gestoppten Familienzusammenführungen. Hoffnungen auf ein Wiedersehen zerplatzen und wer ständig um das Wohl der eigenen Angehörigen bangt, hat kaum die Kraft, sich auf den Aufbau eines neuen Lebens zu konzentrieren.
Angst und Verunsicherung
Auch wenn die ersten Briefe zu potentiellen Aberkennungsverfahren für Asylberechtigte bisher noch nicht bei unseren Klient*innen angekommen sind, ist die Angst vor zukünftigen Entscheidungen für uns alle spürbar. Viele fragen sich, ob sie ihre Wohnung oder ihren Job verlieren könnten, falls sich die rechtliche Situation verschärft. In dieser unsicheren Zeit sind die Kolleg*innen aus unserer Wohnbetreuung besonders gefordert, da unsere Klient*innen viel Unterstützung benötigen. „Die Angst steht gerade spürbar im Mittelpunkt. Wir versuchen in den intensiven Gesprächen alles, um sie zumindest etwas zu lindern. Es ist jetzt wichtig, dass wir trotz allem die Hoffnung bewahren“, erklärt Shirin Behrends-Basha, Leiterin der Wohnbetreuung.
Der Beratungsbedarf im Ute Bock Haus ist gerade sehr hoch.
Foto: Sophie Kirchner
Übereilte Aktionen mit echten Konsequenzen
Was wir derzeit erleben, ist ein Paradebeispiel dafür, wie politische Schnellschüsse das Leben von Menschen in Not verschlechtern können. Statt Integration zu fördern, werden Syrer*innen in die Armutsfalle gedrängt. Statt Chancen zu schaffen, wird ihnen die Zukunft verbaut. Und niemand weiß, wie das ausgehen wird und was auf den Stillstand folgt. Es ist eine Situation, die Leid und Perspektivlosigkeit verstärkt – und das in einer ohnehin belastenden Lebenssituation.
Wir vom Flüchtlingsprojekt Ute Bock setzen alles daran, unsere Klient*innen bestmöglich zu unterstützen. Doch dafür brauchen wir deine Hilfe. Unterstütze uns und spende „Beratung“ – für eine kontinuierliche Betreuung und psychosoziale Unterstützung, die in dieser Situation so dringend benötigt wird. Jede Spende zählt und macht einen echten Unterschied im Leben der Betroffenen.
Gemeinsam können wir zeigen, dass Solidarität stärker ist als politische Kurzsichtigkeit. Unterstütze uns – für ein Österreich, das Menschen nicht im Stich lässt.