NGOs am Weltflüchtlingstag: Schluss mit politischen Irrlichtern, her mit Perspektiven
Am Weltflüchtlingstag fordern Amnesty International Österreich, Train of Hope, Verein Ute Bock, asylkoordination österreich und SOS Balkanroute eine humane und nachhaltige Asylpolitik für Geflüchtete in Österreich. Unter dem Motto „Schluss mit den politischen Irrlichtern, her mit Perspektiven“ kritisieren sie die Instrumentalisierung von Migrationsfragen und fordern alle politischen Parteien auf, konstruktive Ansätze zu verfolgen und Menschenrechte in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Organisationen betonen die Notwendigkeit, die Expertise der Zivilgesellschaft in die Entwicklung einer lösungsorientierten Asyl- und Integrationspolitik einzubeziehen. Sie warnen davor, dass politische Rhetorik und Kampagnen eingesetzt werden, um Ängste zu schüren und die Aufmerksamkeit von den dringend notwendigen Lösungen für die Herausforderungen der Migration abzulenken.
„Das Recht auf Asyl ist nicht nur ein Recht der anderen, sondern auch unseres“, appellieren die Organisationen gemeinsam.
„Gerade in Zeiten des Krieges müssen wir uns dieser Verantwortung bewusst sein und eine Politik fördern, die die Würde und Sicherheit von Geflüchteten respektiert. Es ist gefährlich, Menschenrechte zu dekonstruieren oder zu ignorieren. Im bevorstehenden Wahlkampf in Österreich appellieren wir an alle politischen Parteien, menschenrechtsgeleitete und humane Lösungen in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen zu stellen.“
Obsorge ab Tag 1
Als eines der dringlichsten Probleme in Österreich ortet Amnesty International die mangelnde Obsorge für unbegleitete geflüchtete Kinder. Diese harren oft monatelang ohne angemessene Betreuung, Unterstützung und Informationen in Aufnahmezentren aus, die für die Bedürfnisse der Kinder schlecht ausgestattet sind.
„Es ist an der Zeit, unsere Wahrnehmung zu ändern und diese Kinder in erster Linie als Kinder zu sehen, die ein Recht auf angemessene Betreuung und Schutz haben. Es braucht endlich Obsorge ab Tag 1“, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
Freier Zugang zum Arbeitsmarkt
Es gibt vereinzelte politische Vorschläge, schutzsuchende Menschen zur Ableistung von gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. „Das eigentliche Problem sind Verbote und bürokratische Hürden, die den Schutzsuchenden – speziell der Gruppe der Asylwerbenden – den Zugang zum Arbeitsmarkt versperren”, sagt Gerd Trimmal, Geschäftsführer vom Flüchtlingsprojekt Ute Bock.
„Der Fokus sollte darauf liegen, Barrieren abzubauen – insbesondere die Beschäftigungsbewilligung zu streichen – und Chancen zu eröffnen. Freier Zugang zum Arbeitsmarkt ist die Grundvoraussetzung, dass sich schutzsuchende Menschen selbst versorgen können, außerdem bringt es den Einzelnen einen erheblichen Integrationssprung und wirtschaftliche Vorteile für unsere gesamte Gesellschaft”, so Gerd Trimmal.
Unser Geschäftsführer Gerd Trimmal sprach bei der Pressekonferenz über den Abbau von Hürden.
Foto: Harald Wandl
Langfristige Perspektive für Ukraine-Geflüchtete
Angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine ist eine langfristige Perspektive für ukrainische Vertriebene unabdingbar. Unklare Aufenthaltsperspektiven, ein Leben in absoluter Armut in der Grundversorgung und intransparente Zuverdienstregelungen führen dazu, dass die Integration von Vertriebenen in Österreich unnötig erschwert wird.
Mit der angekündigten Verlängerung des temporären Schutzstatus muss endlich ein Systemwechsel erfolgen, der Vertriebenen Zugang zu denselben Unterstützungsleistungen wie Asylberechtigten ermöglicht, so Nina Andresen von Train of Hope: „Ukrainische Geflüchtete brauchen, wie viele andere, die vor Konflikten und Verfolgung fliehen, mehr als nur Soforthilfe. Es ist an der Zeit, endlich langfristige Perspektiven zu schaffen, damit sich Vertriebene in Österreich ein würdiges Leben aufbauen können.“
Rechtsmissbräuchliche Schikanen auf Rücken von Flüchtlingsfamilien beenden
Schlechte Kommunikation und Planung zwischen Bund und Ländern führte dazu, dass Kindergärten und Schulen im Jahr 2023 durch die Ankunft von 5.500 Kindern bis 14 Jahre im Rahmen des Familiennachzugs überrascht wurden. Statt durch gute Verwaltung Probleme zu lösen, wurden in einer politischen Kurzschlussaktion Familienzusammenführungsverfahren flächendeckend mit kostspieligen Verwaltungsschikanen verzögert.
Selbst abgeschlossene Verfahren, in denen der Behörde bereits positive DNA-Tests vorliegen, wurden gestoppt. „Diese Maßnahme ist eine Zumutung: Die Politik diskreditiert dadurch pauschal die Arbeit der Behörden und lässt vor allem Kinder, die teils seit Jahren auf ein Wiedersehen mit ihren Eltern warten, verzweifeln. Es ist eine Missachtung des Rechtsstaats, wenn durch steuergeldfinanzierte Wahlkampfgags rechtliche Ansprüche torpediert werden”, sagt Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination österreich und fordert Aufklärung, ob hierbei rechtswidrige Weisungen erteilt wurden.
Außengrenzen: "Unrechtsraum Europa”
Die Organisationen fordern sichere Fluchtwege sowie eine humane Grenzpolitik. Petar Rosandić von SOS Balkanroute sprach über die menschenunwürdigen Zustände an den EU-Außengrenzen und die Auswirkungen des EU-Asyl- und Migrationspaktes.
„Die EU-Außengrenzen sind heute ein rechtsfreier Raum, in dem Menschen brutal ins Meer geworfen oder am Balkan von maskierter Schattenpolizei gefoltert werden. Die Sperrung der Zugangswege samt illegalen Pushbacks stärkt seit Jahren nur kriminelle Schleppernetzwerke. Die Polizeigewalt wirkt wie ein Bumerang auch ins Innere der EU, die Dehumanisierung ist in der öffentlichen Debatte bereits omnipräsent. Europa verliert seine Menschenrechte und wird immer mehr ein Unrechtsraum“, so Rosandić.
Zentrale Forderungen
- Humane Asylpolitik
- Den Menschenrechten in allen politischen Kampagnen und Maßnahmen Vorrang einräumen
- Sichere Fluchtrouten und eine humane Grenzpolitik innerhalb der EU einrichten
- Systematische Gewalt und repressive Maßnahmen an den EU-Außengrenzen beenden
- Langfristige Perspektive
- Einbindung der Expertise der Zivilgesellschaft in die Entwicklung der Asyl- und Integrationspolitik
- Obsorge ab Tag 1 für alle unbegleiteten geflüchteten Kinder, die in Österreich ankommen
- Langfristige Unterstützung und Integrationsmöglichkeiten für ukrainische Vertriebene und andere Geflüchtete
- Abbau von Barrieren und bürokratischen Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt, insbesondere Streichung der Beschäftigungsbewilligung für Schutzsuchende