„Sie war die Mama der ganzen Welt“
Im Rahmen unserer Bock Storys zu unserem Doppeljubiläum sprachen wir mit Ruzanna*, die seit 2013 im Ute Bock Haus lebt. Ein emotionales Gespräch, denn Ute Bock war für sie wie eine Mama in der neuen Heimat.
"Das Ute Bock Haus ist mein Zuhause"
„Da ist die Frau Bock in Wien. Die kann euch helfen!“ So hört Ruzanna im November 2013 das erste Mal vom Flüchtlingsprojekt Ute Bock. Kurz zuvor ist sie mit ihrer Familie aus Armenien geflüchtet und landete zunächst in Traiskirchen, wo ihr eine Landsfrau von dieser ominösen Frau in Wien Favoriten erzählt, die Flüchtlingen in ausweglosen Situationen hilft. Über Empfehlungen wie diese kommen viele Klient*innen zum Verein.
Ruzanna macht sich mit ihrer Familie auf in die Zohmanngasse. Das Ute Bock Haus ist zu diesem Zeitpunkt gut gefüllt, Frau Bock bringt es nichts übers Herz, Menschen abzuweisen. Sie findet kreative Möglichkeiten alle unterzubringen. So werden nachts provisorisch Matratzen in Büros und Kursräumen ausgelegt, so dass mehr einen sicheren Schlafplatz haben.
„Von ihrem Büro im Ute Bock Haus konnte sie sehen, wer gerade reinkommt. Sie hat immer gleich geschaut. Im Warteraum hat sie alle gekannt und auch genau gewusst, wer neu ist und Hilfe braucht.“
Innerhalb von einem Tag kann Ruzanna mit ihrer Familie einziehen, erst ist es eine provisorische Lösung, dann ziehen sie in ihr Familienzimmer, das für Jahre ihr neues Zuhause wird. Sie lernt Deutsch in den kostenlosen Kursen, die der Verein damals noch im Ute Bock Haus anbietet, und unterstützt Frau Bock und das Team, wann immer sie helfen kann.
„Österreich ist meine Heimat geworden. Aber das Ute Bock Haus ist mein Zuhause. Das Zusammenleben hier ist sehr respektvoll, alle sind sehr hilfsbereit, erkundigen sich nach der Familie. Es ist wie mein zweites Elternhaus. Es ist schwer mir ein Leben in Österreich ohne das Ute Bock Haus vorzustellen.“
Das Ute Bock Haus wurde für Ruzanna zum Zuhause in der neuen Heimat
Foto: Verein Ute Bock
"Die Mama der ganzen Welt"
„Sie hatte so ein großes Herz. Für Frau Bock zählte keine Nationalität, keine Hautfarbe, keine Religion. Die afrikanischen Klienten haben sie immer Mama Afrika genannt, doch eigentlich war sie die Mama der ganzen Welt. Es leben so viele Nationen in diesem Haus. Sie war für alle die Mama. Obwohl: Für meine Kinder war sie eher die Oma.“
„Frau Bock hat sich den ganzen Tag und immer für das Recht der Leute eingesetzt. Das war natürlich viel Stress. Ihr Schlaganfall war dann ein großer Schock für alle. Als sie danach aus dem Krankenhaus kam, haben wir sie alle voller Freude begrüßt.“
Im Dezember 2013 hatte Frau Bock einen Schlaganfall und kämpfte den Rest ihres Lebens mit den Folgen. Obwohl sie sich seit Jahren kannten, hat Frau Bock Ruzanna später manchmal nicht mehr erkannt. Im Jänner 2018 verstarb Ute Bock.
„Nach ihrem Tod waren wir alle beim Lichtermeer am Heldenplatz. Es ist schön zu sehen, dass Ute Bock auch heute nicht vergessen wird. Wenn ich am Donaukanal das große Graffiti mit ihrem Namen sehe, kommen sofort die schönen Erinnerungen zurück. Wir vermissen sie wirklich sehr, aber ich bin froh, dass ich sie kennenlernen durfte!“
Ruzanna ist sichtlich ergriffen, wenn sie über Ute Bock spricht. Sie zeigt uns stolz ein gemeinsames Foto aus dem Jahr 2017.
Von der Zeit mit Frau Bock zu erzählen berührt Ruzanna sehr
Foto: Verein Ute Bock
„Im Armenischen gibt es eine Redewendung. Man sagt, jemand ist ein Mensch mit großen Buchstaben. Das war Frau Bock! Sie ist einfach zu früh gestorben, sie hatte noch so viel zu tun. Wir hätten sie noch 20 weitere Jahre gebraucht.“
„Ute Bock war eine reiche Frau! Bestimmt nicht mit Geld, aber mit Menschen, Kindern, und Familien.“
Das Graffiti am Wiener Donaukanal erinnert eindrücklich an das Engagement von Ute Bock
Foto: Francisco Peralta Torrejón
Zu Frau Bocks Geburtstag, Perspektiven schenken
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Dieser Artikel ist Teil unserer Blog-Serie "Bock Storys" zum 20-jährigen Vereinsjubiläum. Bereits erschienen ist das Interview mit unserem dienstältesten Kollegen Ibrahim. In den kommenden Wochen werden wir mit vielen weiteren Menschen über ihre Zeit beim Verein sprechen.
*Name geändert