"Wir wollen etwas zurück geben!"
Musiker Meydo war gerade 3 Monate alt, als seine Eltern aus der Demokratischen Republik Kongo nach Österreich flüchteten. Heute macht er nicht nur Musik, sondern setzt sich gemeinsam mit seiner Familie für die Menschen in ihrer alten Heimat ein. Im Interview erzählt er uns von seinem Weg.
"Ich musste mich von klein auf mit Rassismus auseinandersetzen."
Aufgewachsen als Geflüchteter im Asylverfahren, ist Meydo heute Musiker in der Wiener Hip Hop-Szene. Aber nicht nur das: Meydo ist außerdem Label-Gründer, Event-Organisator und im Verein „Foniza“ PR-Verantwortlicher. Er hat mit seinen 28 Jahren schon viel auf die Beine gestellt. Im Interview berichtet er, wie es für ihn und seine Schwestern war, als Geflüchtete in Graz aufzuwachsen und warum sie nun gemeinsam ein Hilfsprojekt im Kongo initiiert haben.
Flüchtlingsprojekt Ute Bock: Die Dauer von Asylverfahren variiert extrem, von wenigen Monaten bis hin zu vielen Jahren. Wie lief es bei euch?
Meydo: Nachdem meine Eltern in Traiskirchen für uns Asyl beantragt haben, sind wir nach Graz gezogen. Hier bin ich aufgewachsen und hier sind auch meine zwei jüngeren Schwestern geboren. Asyl haben wir jedoch erst drei Jahre später erhalten. Meine Eltern durften dann ein Jahr nach dem positiven Asylbescheid anfangen zu arbeiten. Mein Vater fand damals auch gleich eine Arbeit und fing im selben Jahr (1997) an bei der Firma Schrott Waltner zu arbeiten. Meine Mutter fing im Jahr 2000 als Küchenhilfe in einem Restaurant an. In diesem Jahr bekamen wir auch unsere österreichische Staatsbürgerschaft, da war ich dann schon 7 Jahre alt. Das Staatsbürgerschaftsverfahren hatte weitere vier Jahre gedauert.
FP UB: Wie war es für dich mit dem Status Geflüchteter aufzuwachsen? Spielte das eine Rolle in deiner Kindheit?
Meydo: Der Status Geflüchteter spielte nicht wirklich eine Rolle. Eher meine Hautfarbe, die war natürlich präsenter. Ich musste mich von klein auf mit Rassismus auseinandersetzen. Das hat mich auch früh erwachsen gemacht. Mir blieb keine andere Wahl, als mich im jungen Alter schon zu verteidigen. Trotzdem: Als Person of Colour habe ich sehr gute Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend in Graz. Das gute an Graz überschattet das böse um Welten!
Ein Einblick ins private Fotoalbum. Meydo war gerade drei Monate alt, als er nach Österreich kam.
Foto: privat
FP UB: Von Traiskirchen über Graz zur Wiener Hip Hop-Szene. Wie hast du deinen Weg gefunden?
Meydo: Ich habe ganz klassisch meine 9-jährige Schulpflicht absolviert und nebenbei Fußball gespielt. Wie jeder zweite Junge wollte ich Profi werden, habe damals sogar eine Zeit bei SK Sturm Graz in der Jugend gespielt. Aber für die Akademie reichte es nicht. Mit 18 hieß Bundesheer oder Zivildienst und ich entschied mich für den Zivildienst in einem Jugendzentrum namens YAP. Dem YAP bin ich für meine ersten Steps in meiner Musikkarriere sehr dankbar, denn als ich dort gearbeitet habe, kam eine Mail vom „Creative Europe Program“, das mir meine damalige Chefin weitergeleitet hat. Ein zweiwöchiger Musik- und Tanzworkshop in Paris. Nach diesen zwei Wochen wollte ich nichts anderes mehr als Musik machen! Schon im Jahr davor gründete ich zusammen mit Freunden unsere erste Rapcrew “Generation Arrogant“. Durch eine Förderung der Stadt Graz für jugendliche Projekte konnten wir uns einen Raum mieten und Studioequipment kaufen.
2015 war es für mich soweit, ich zog nach Wien, um die nächsten musikalischen Steps zu machen. Seitdem ist viel passiert, ich bin als Künstler und Mensch sehr gewachsen, durfte an vielen Projekten und Musikveröffentlichungen arbeiten. Seit 2017 bin ich auch Mitgründer des Musiklabels Akashic Recordz, mit dem wir obendrein als Full-Service Entertainment Agentur agieren. Und seit Neuestem bin ich PR- und Kommunikationsleiter des Vereins Foniza.
FP UB: Was macht euer Verein Foniza? Wie kann man euch unterstützen?
Meydo: Foniza ist ein Verein für bedürftige Menschen mit Sitz in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) und Graz. Es ist ein Familienprojekt: Mein Vater, der bereits in Pension ist, leitet als Obmann den Verein, meine jüngeren Schwestern und ich übernehmen verschiedenste Aufgaben. Foniza dient nicht nur als Hilfsorganisation. Es ist sowohl Zufluchtsort als auch Sammelpunkt für Groß und Klein. Der Verein stellt jedem umgehende Hilfe bereit, seien es sanitäre Ausrüstungen, Ernährungssicherheit oder Hygiene- und Integrationsworkshops. Unsere Bemühungen und unser Engagement widmen sich der Rekrutierung, Begleitung und dem hoffnungsvollen Umgang mit allen Betroffenen mit speziellen Bedürfnissen. Zudem engagieren wir uns für die Versorgung von Alten und Kriegsversehrten, Betroffenen mit diversen Autoimmunerkrankungen wie Lepra, Jugendlichen und Kindern - mit oder ohne Angehörige.
Unterstützen kann man uns mit Sach- und monetären Spenden. Insbesondere Sanitärgeräte wie Krücken, Verbandsmaterialen oder Rollstühlen nehmen wir sehr gerne an! Für weitere Informationen kann man uns auch auf unser Website: www.foniza.com besuchen.
FP UB: Was motiviert eure Familie, sich mit eurem Verein im Kongo zu engagieren?
Meydo: Wir wollen dazu beitragen, eine Zukunft im Kongo mitaufzubauen, in der keine Gesellschaftsschicht vergessen wird! Unsere Eltern haben den weiten Weg hierher gemacht, um uns eine bessere Zukunft zu ermöglichen und als Dank wollen meine Schwestern und ich ihrer Heimat etwas zurückgeben.
Ein Familienprojekt! Neben Meydo sind auch seine jüngeren Schwestern Lonie und Hermine bei Foniza aktiv.
Foto: Markus Mansi/Bobbys Agency
FP UB: Black Voices, SOS Mitmensch, ZARA, Flüchtlingsprojekt Ute Bock - es gibt viele Vereine & Initiativen, die sich gegen Rassismus und/oder für Geflüchtete stark machen. 2020 & 2021 waren zudem geprägt von Bildern junger Menschen, die gegen Rassismus, Kinderabschiebungen, Abschiebungen nach Afghanistan auf die Straße gegangen sind. Hast du das Gefühl einer gesellschaftlichen Veränderung? Ist die Gen Z sensibler für rassistische Themen und deren Aufarbeitung?
Meydo: Eine gesellschaftliche Veränderung, vor allem ein Umdenken, hat immer schon stattgefunden. Das Internet spielt jetzt eine große Rolle, weil man in den letzten Jahren durch Soziale Medien und alle anderen Informationsquellen gar nicht mehr an diesen vielen Themen vorbeikommen konnte. Es musste gehandelt werden, egal ob jung oder alt: jeder packt an.
FP UB: Was wünscht sich deine Familie sich für Geflüchtete, die jetzt in der Position sind, in der ihr damals wart?
Meydo: Bei dieser Frage darf ich meine Eltern zitieren: „In unserer Zeit war die Asylbeantragung und der Rest viel leichter als heutzutage. Man kann bei den jetzigen Flüchtlingen sehen, dass die Ernsthaftigkeit der Lage vom Staat nicht mehr wirklich ernstgenommen wird. Wir wünschen uns eine sehr baldige Änderung für sie, denn wir waren selbst Suchende und wurden mit offenen Armen akzeptiert und wollen das ebenso für unsere Nächsten.“
Der Verein Foniza freut sich über Krücken, Rollstühle und sonstige Sanitärgeräte. Weitere Informationen gibt es hier: