Edita und die Büffelböcke
Was wären die Büffelböcke ohne ihre persönliche Heldin?
Edita Jung ist seit Mai 2019 die Hortleiterin im Ute Bock Bildungszentrum. Sie ist Chefin der Nachhilfe, wichtige Vertrauensperson, koordiniert Ehrenamtliche, Ausflüge, Workshops und Freizeitprogramm und sucht das Gespräch mit Eltern und Lehrer*innen. Ein Multitalent mit Mission, denn die Büffelböcke sind keine gewöhnliche Lernbetreuung. Die bis zu 35 Kinder eint ihre Fluchtgeschichte, sie sind vielfach traumatisiert und brauchen gezielte Unterstützung in ihrer neuen Heimat.
Edita und die enagierten Ehrenamtlichen fördern #Chancengleichheit. Die Kinder bekommen in der Lernbetreuung Büffelböcke Unterstützung bei den Hausaufgaben, der Vorbereitung von Schularbeiten aber auch bei ihrer persönlichen Entwicklung. Jedes Kind hat bereits so viel erlebt und wir versuchen ihren Biografien mit unserer Betreuung und unseren Angeboten gerecht zu werden.
Hortpädagog*in ist ein Job mit unglaublich viel Verantwortung, das Engagement für Flüchtlingskinder eine zusätzliche Herausforderung. Was steht hinter Editas Entscheidung, ihre Talente für die Büffelböcke einzusetzen?
Einmal Traumjob bitte
"Mein Job als Hortleiterin der Büffelböcke ist jeden Tag ein Erlebnis! Wenn ich auf meine persönliche Geschichte zurückblicke, ist es wirklich kein Wunder, dass mich mein Weg zu den Kindern ins Ute Bock Bildungszentrum geführt hat.
Aufgewachsen in der ehemaligen Sowjetunion, wollte ich schon als Kind Lehrerin werden. Nach der Pädagogischen Hochschule unterrichtete ich zunächst zwei Jahre Russisch an einer Volksschule und wechselte dann zur Hortpädagogik, da ich so parallel mein Deutschstudium absolvieren konnte.
Bei der intensiven Arbeit im Hort wurde mir klar, dass die Kinder in diesem vertrauensvollen Umfeld viele Fortschritte in der schulischen aber vor allem auch persönlichen Entwicklung machen. Die Kinder können hier ihre eigene Identität erkunden, lernen aber zugleich die Regeln und Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie wissen, dass sie das „Wir“ dieser Gruppe im Auge behalten müssen, ihr eigenes „Ich“ dabei aber nicht vergessen dürfen.
Mein Weg führte mich nach Österreich, wo ich meine Familie gründete. Nach meiner Karenz begann ich als Hortpädagogin in einer Einrichtung in Niederösterreich, deren Leitung ich dann für sieben Jahre übernahm.
Edita geht auf jedes Kind bei den Büffelböcken individuell ein
Foto: Sophie Kirchner
Mehrsprachigkeit ist ein Geschenk
In dem niederösterreichischen Hort war Deutsch die Muttersprache fast aller Kinder, nur einige wenige wuchsen mit mehreren Sprachen auf. Sprachen haben mich schon immer fasziniert, da ich selbst in einem zweisprachigen Haushalt mit Russisch & Tschechisch aufgewachsen bin. Voller Bewunderung beobachtete ich, wie sich die Kinder im gemeinsamen Spiel über Sprachbarrieren hinweg austauschten. Die Kinder sehen sich als Eins, egal woher sie kommen oder welche Hautfarbe sie haben. Aus der Diversität der Kinder entsteht im Hort ein neues, ganz einzigartiges Gefühl der Gemeinschaft.
Diese Erfahrung zeigte mir, dass meine Zukunft in der Arbeit mit kulturell vielfältigen Kindergruppen liegt. Dann entdeckte ich zufällig die ausgeschriebene Position als Hortleiterin der Ute Bock Büffelböcke. Und so begann unsere gemeinsame Geschichte.
Die Büffelböcke
Jeder Tag mit den Büffelböcken erweitert meinen Horizont! In der Gruppe betreuen wir Kinder von sechs bis 14 Jahren mit den unterschiedlichsten Backgrounds und Geschichten.
Hier lernte ich Vara* aus Syrien kennen. Nach dem Kriegsbeginn lebte ihre Familie zunächst in Palästina und flüchtete dann nach Europa. Am Anfang war Vara schüchtern, fast schweigsam. Die Schule im neuen Land und die neue Sprache überforderten sie. Mittlerweile hat sich zu einem selbstbewussten Teenager entfaltet. Ihre Noten werden besser, sie lacht nun viel und bringt eine gute Stimmung in die Gruppe.
Ich traf Aman*. Seine Mutter kommt aus Somalia und sein Vater aus dem Jemen. Als ich ihn kennenlernte, konnte er kaum Deutsch, weshalb er sich nicht traute, mit den anderen Kindern zu spielen. Durch den engen Kontakt mit seiner Klassenlehrerin und unserer Förderung steigerte sich seine Leistung enorm. Er hat Vertrauen gefasst, kommt regelmäßig zu uns und erzählt mir auch von seiner Reise mit seiner Familie übers Meer nach Österreich. Sein Vater hat es nicht geschafft. Trotz aller Schicksalsschläge ist Aman ein aufgeweckter Junge, der viel Humor hat.
Oder Seda* aus Tschetschenien, die als Kleinkind vollkommen traumatisiert auf der Flucht vorm Bürgerkrieg nach Österreich kam. Sie ist täglich bei uns, um ihre Hausaufgaben zu erledigen, unterstützt aber auch die kleineren Kinder in der Gruppe. Seda lebt die Gemeinschaft und ist ein fixer Bestandteil unserer Büffelböcke-Familie.
Es ist manchmal hart zu sehen, wie einige Selbstverständlichkeiten unseres Lebens für manche dieser Kinder große Besonderheiten sind. Sie sind froh, ein Dach über dem Kopf, warmes Wasser und täglich etwas zu essen zu haben. Sie freuen sich, dass sie hier zur Schule gehen können und keine Angst vor Bomben haben müssen.
Aber wie alle Kinder beklagen sie sich über zu viele Hausaufgaben. Bei uns in den Büffelböcken finden sie dank der Hilfe zahlreicher engagierter Ehrenamtlicher die passende Unterstützung. Das Selbstbewusstsein der Kinder wächst, wenn sich ihre Leistungen steigern und die Lehrer*innen und Eltern die positive Veränderung bemerken.
Alle unsere Kinder müssen eine enorme Anpassungsleistung erbringen, bei manchen geht es schneller, bei manchen dauert es länger. Man muss ihnen diese Zeit geben, doch auf diese Herausforderungen ist das österreichische Schulsystem kaum vorbereitet. Wir versuchen das aufzufangen – für die Kinder und auch ihre Eltern, die sich in diesem neuen Schulsystem ebenfalls zurechtfinden müssen.
Eine Bereicherung für alle
Die Büffelböcke sind ein wunderbares Hilfsangebot des Flüchtlingsprojekts Ute Bock, das wirklich Früchte trägt. Jeden Tag sehe ich, wie sich die Kinder positiv entwickeln, gleichzeitig lerne ich selbst viel von ihnen. Das macht diesen Job zu etwas ganz Besonderem. Wir arbeiten Tag für Tag daran, die Kinder bei ihrer Integration zu unterstützen und ihnen zeitgleich Wertschätzung für ihre eigene Herkunft zu vermitteln.
Ich weiß, wie es ist, wenn man in einem neuen Land ankommt. Man möchte den Menschen und der Gesellschaft beweisen, dass man es schaffen kann. Unsere Kinder sehen Österreich als ihr Land: der Ort, der ihnen Halt, Schutz und Sicherheit bietet. Ich bin mir sicher, dass sie hier glücklich heranwachsen, ihre Wege gehen und dem Land mit ihren wunderbaren Persönlichkeiten und ihrem großen Potential viel zurückgeben werden.
Denn wie Frau Bock sagte: 'Jeder von uns hat die Chance, sich zu verbessern, wenn er es kann.'"
Die Büffelböcke sowie Editas wertvolle Arbeit werden ausschließlich über Spenden finanziert. Wir freuen uns über deine Unterstützung für #Chancengleichheit!
* Die Namen der Kinder wurden für diesen Beitrag geändert.